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Das stille Immobilienimperium der Kirche in Deutschland

  • Autorenbild: louisdkaluschke
    louisdkaluschke
  • 27. Sept. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 25. Nov.

Warum zwei Glaubensgemeinschaften zu den mächtigsten, zugleich unsichtbarsten Playern am deutschen Immobilienmarkt gehören. In einer Zeit, in der Wohnraum zur härtesten ökonomischen Währung des Landes geworden ist, lohnt der Blick auf jene Eigentümer, die selten öffentlich auftreten – deren Einfluss aber seit Jahrhunderten die räumliche Ordnung deutscher Städte prägt: die Kirchen. Während private Immobilienkonzerne wie Vonovia oder LEG permanent im Licht der Öffentlichkeit stehen, verwalten die katholische und die evangelische Kirche ein Immobilienvermögen, das in Umfang, Historie und Marktmacht nahezu einzigartig ist. Und doch ist es ein Imperium, das weitgehend im Schatten operiert.


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Ein Vermögen, das gewachsen ist, nicht erworben

Der kirchliche Immobilienbestand unterscheidet sich fundamental von privaten Beständen. Er wurde nicht durch spekulative Zukäufe aufgebaut, sondern ist das Ergebnis jahrhundertelanger Schenkungen, Stiftungen, Rückübertragungen und historischer Besitzrechte. Das macht die Kirche heute zu einem Eigentümer, der kaum wie ein klassischer Investor agiert – aber dennoch mit den größten Flächen- und Gebäudebeständen im Land wirtschaftet.


Konservative Schätzungen gehen davon aus, dass beide Kirchen gemeinsam Immobilien im Wert von 200 bis 300 Milliarden Euro halten. Studien, die auch Ordensgemeinschaften und kirchliche Kapitalgesellschaften einbeziehen, sprechen sogar von bis zu 400 Milliarden Euro. Damit rangieren sie auf einer Stufe mit den größten staatlichen Eigentümern – und weit über jedem privaten Immobilienkonzern.



Ein Besitz, der in mehrere Welten zerfällt

Der kirchliche Immobilienkosmos setzt sich aus vielfältigen Segmenten zusammen, deren Dimension nur schwer zu erfassen ist. Neben zehntausenden Wohngebäuden in den besten Stadtlagen – von Schwabing bis Charlottenburg – gehören auch Krankenhäuser, Pflegeheime, Verwaltungskomplexe, Schulen, Klosteranlagen sowie riesige Forst- und Agrarflächen dazu. Die Caritas und Diakonie sind darüber hinaus Deutschlands größte Betreiber sozialer Infrastruktur und verwalten Immobilienportfolios, die für den sozialen Zusammenhalt der Städte essenziell sind.


Besonders bemerkenswert ist die Rolle landwirtschaftlicher Flächen: Einige Bistümer zählen zu den größten nichtstaatlichen Waldbesitzern Deutschlands. Diese Flächen gewinnen in Zeiten ökologischer und energetischer Transformation massiv an Bedeutung – ökonomisch wie politisch.


Die Intransparenz kirchlichen Vermögens ist kein Zufall, sondern strukturell bedingt. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts unterliegen Kirchen nicht der Offenlegungspflicht privater Unternehmen. Jedes Bistum, jede Landeskirche, jeder Orden, jede Stiftung, jedes Werk und jeder bischöfliche Stuhl bilanziert für sich selbst. Das Ergebnis ist ein Geflecht aus Hunderten eigenständigen Rechtsträgern – eine Struktur, die selbst Experten kaum vollständig erfassen können. Hinzu kommt, dass viele der wertvollsten Güter nie auf offenen Märkten gehandelt wurden. Sie tragen keinen Marktpreis, sondern einen historischen Wert, der oft nur erschließbar ist, wenn man Lage, Nutzung, Substanz und potenzielle Entwicklungschancen im Kontext bewertet.



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Steuerliche Privilegien

Ein wesentlicher Grund für die wirtschaftliche Stärke kirchlicher Immobilien ist ihre steuerliche Sonderstellung. Für religiöse, caritative und teilweise auch für vermietete Immobilien gelten Befreiungen von Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und in vielen Fällen sogar Grundsteuer. Auch Erbschaften und Schenkungen an kirchliche Träger sind häufig steuerfrei. Diese Privilegien bedeuten nicht nur geringere Kosten – sie ermöglichen es der Kirche, Immobilien langfristig zu halten, ohne unter dem Druck kurzfristiger Renditevorgaben zu stehen. Das ist einerseits ein Vorteil für die Stabilität des Marktes, andererseits ein Wettbewerbsfaktor, der im Verhältnis zu privaten Eigentümern häufig kritisiert wird.


Trotz ihres enormen Bestands verkauft die Kirche vergleichsweise selten. Doch wenn es geschieht, sind die Auswirkungen erheblich.

In den vergangenen Jahren sorgten Verkäufe kirchlicher Wohnanlagen an professionelle Investoren immer wieder für Kritik – meist in Zusammenhang mit anschließenden Mietsteigerungen. Umgekehrt gibt es Beispiele, in denen kirchliche Eigentümer bewusst gegen Marktmechanismen arbeiten: Etwa durch die Vergabe langfristiger Erbpachten an soziale Träger oder durch Neubauprojekte, bei denen Mieten bewusst unter Marktniveau bleiben. Beides zeigt: Kirchlicher Boden ist nicht nur ökonomisches Asset, sondern immer auch Ausdruck eines gesellschaftlichen Auftrags.



Ein Imperium, das Deutschlands Wohnzukunft mitprägt

Der Druck auf die Kirchen wächst. Jahr für Jahr verlassen Hunderttausende Mitglieder die beiden großen Konfessionen. Mit ihnen schrumpft das Kirchensteueraufkommen – und damit der finanzielle Spielraum zur Subventionierung kostspieliger Immobilienportfolios. Gleichzeitig fordern Politik und Zivilgesellschaft mehr Transparenz über kirchliche Vermögensstrukturen. Und in vielen Städten wächst der Unmut darüber, dass große kirchliche Flächen als Entwicklungsreserve brachliegen, während der Wohnraummangel eskaliert.


All das führt zu einer Neubewertung dessen, was kirchlicher Besitz künftig leisten soll – für Gemeinden, für Städte, für den Wohnungsmarkt. Ob Pflegeheim, Stadtwald, Schulzentrum oder Gründerzeit-Block: Kaum ein anderer Eigentümer hält ein Portfolio, das so tief in das Leben eines Landes eingebettet ist. Die Kirche ist damit – ob offiziell so bezeichnet oder nicht – ein systemrelevanter Immobilienakteur. Ihre Entscheidungen beeinflussen Mietmärkte, Baulandverfügbarkeit, Stadtentwicklung und wirtschaftliche Strukturen.


Gerade weil ihr Imperium historisch gewachsen und zum großen Teil unsichtbar ist, verdient es besondere Aufmerksamkeit. Denn in einer Zeit, in der Wohnraum zum sozialen Härtefaktor wird, spielt die Frage „Wem gehört die Stadt?“ eine zentrale Rolle. Die Antwort darauf wäre nicht vollständig, ohne den Blick auf einen der größten, leisesten und einflussreichsten Player des Landes zu richten.


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